Die Macht der Frauen

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Politik ist heute immer noch Männersache. Daran können auch unsere vielleicht zunehmend gegenteiligen Vorstellungen und jene Statistiken nichts ändern, die etwas anderes zu erkennen meinen. Am deutlichsten zeigt sich diese Ungleichheit heute darin, dass man – ganz im Sinne männlich dominierter Bilder von Wettbewerb und Konkurrenz – von Frauen fordert, was bei Männern als gegeben vorausgesetzt wird. Dabei reproduziert sich dieses Dominanzverhältnis auch im Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter. Auch dieser ist voll von Gemeinplätzen über Männer und Frauen. Wenn die Beteiligung von Frauen in der Politik nicht über ihre Gleichheit, sondern über ihr Anderssein als Frau gerechtfertigt wird, wird damit ein weibliches Rollenmuster bedient, das mal zu ihren Gunsten mal zu ihren Ungunsten ausfallen kann. Im Grunde aber wird es ihnen immer schaden.

Diese Ambivalenz kam in der Wahlkampagne der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal in Frankreich deutlich zum Tragen, da Royal gleichzeitig von der traditionellen Frauenrolle profitierte und sie ihr doch zum Verhängnis wurde. Was zunächst als Synonym von Erneuerung und Spontaneität erschien, verwandelte sich letztlich im sorgfältig von ihren Rivalen alimentierten kollektiven Imaginären in Schwäche und mangelnde Vorbereitung. In einer Gesellschaft, in der sexistische Gemeinplätze immer noch allgegenwärtig sind, kann das, was anfänglich als ein Vorteil erschien (Frau zu sein), sich schnell als das größte Hindernis herausstellen. Am Ende lief Royal Gefahr, selber Opfer von Frauen und Männer Klischees zu werden: als Frau allein noch zugestanden zu bekommen, die politische Bühne zu schmücken, sobald sie aufhört, entschlossen aufzutreten.

Sehr häufig verschaffen sich Frauen einen Platz in der öffentlichen Sphäre, indem sie sich als apolitische Person darstellen, was ihnen gleichzeitig ermöglicht, Bürgernähe zu bezeugen. Diesen Topos machen sich auch jene Unternehmer, Richter und Journalisten zu Eigen, die sich gelegentlich bei Wahlen zu Wort melden und dabei ihren Mangel an politischer Fachkenntnis als Vorteil darstellen. In diesem Fall heißt Frau zu sein, bürgernah zu sein und fern ab des Mikrokosmos der Politik zu stehen. Obwohl Ségolène Royal mehrfach Ministerin gewesen ist und jener Talentschmiede entstammt, in der ein Großteil der französischen Politiker ausgebildet wurde (die Ècole Nationale d’Administration), präsentierte sie sich im ersten Wahlgang als weniger „professionell“ und bürgernäher als Dominique Strauss-Kahn oder Laurent Fabius. Es ist nicht verwunderlich, dass ihre Kampagne auf der Idee der „partizipativen Demokratie“ basierte. Denn diese Idee erscheint als quasi natürliche Verlängerung jener Zivilgesellschaft, die Frauen vorbehalten ist. Dahinter steckt eine Auffassung von Geschlechtergerechtigkeit und Frauenförderung, in der Weiblichkeit als Ergänzung zur Politik, als ihre Kehrseite, auftritt. Die amerikanische Historikerin Joan W. Scott hat sehr gut gezeigt, wie Beteiligung von Frauen in der politischen Vertretung nicht etwa mit dem Ziel gefördert wurde, das System der politischen Repräsentation zu verändern, sondern um es in Frage zu stellen: Die Frauen würden das Zivilgesellschaftliche in die politische Sphäre einführen, welche als künstlich, fachmännisch und bürgerfern vorgestellt wird.

Die politischen Widersacher von Royal haben dieses fehlende „professionelle“ Auftreten in politische Leere und Inkompetenz übersetzt. Indem Royal prahlte, nicht auf alles eine Antwort zu haben, wurde ihr zwar jene Sympathie zu Teil, die Nicht-Spezialisten zu wecken vermögen. Sie lieferte sich damit aber auch dem Verdacht aus, keine Ahnung zu haben. Was gestern noch ihren Erfolg erklärte (kein geläufiger Politiker zu sein, kein Mann zu sein, sogar überhaupt kein Politiker zu sein), könnte genau das sein, was nun ihre Glaubwürdigkeit unterminiert. Sie wäre damit in die Falle gegangen, die es Frauen oft erlaubt, die Rolle der „geläufigen Personen“ zu spielen, nur um später als solche ausgeschlossen zu werden. Hierin wird ersichtlich, bis zu welchem Grad unsere Vorstellungswelt mit Gemeinplätzen gespickt ist, die letztendlich männliche Günstlingschacherei huldigt. Die Bedingungen, die politischen Frauen die Tore des Erfolgs eröffnen, können am Ende die sein, die ihre Disqualifizierung rechtfertigen: dass sie – halt einfach – Frauen sind.

Vor einiger Zeit hat Michelle Perrot ihre Forschung zur Geschichte der Frauen mit dem Fazit resümiert, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen darin bestehe, dass allein der Mann ein Individuum sei. Das heißt, allein der Mann besitze ein allgemein durchsichtiges Geschlecht, habe sich von seiner Gruppenzugehörigkeit emanzipiert und sei das, was er aus sich macht. Die Frauen wurden aus der Welt der Politik ausgeschlossen, in dem ihnen physisch wie symbolisch die Möglichkeit versperrt wurde, zum Individuum zu werden. Aus diesem Grund stellt sich die Frage der Identität allein dann, wenn eine Frau die politische Bühne betritt, da wir ja schon wissen, dass wir Männer keine Geschlechtswesen, sondern schlicht und ergreifend Individuen sind. Die Selbstverwirklichungsmöglichkeiten des Mannes verdanken sich nicht nur dem Umstand, dass er nicht diskriminiert wird. Denn sein Wert bemisst sich selbst redend danach, was er macht und was für Kompetenzen er erwirbt. Der Frau hingegen werden solche Charakteristika zugeschrieben, die es ihr nicht erlauben, sich von ihrer Kondition, Frau zu sein, zu distanzieren: eine Frau, auch die aller erfolgreichste, wird immer eine Frau bleiben, die Erfolg gehabt hat und nicht – wie im Falle des Mannes – eine Person, die Erfolg gehabt hat.

Die Schlussfolgerung für die Politik könnte folgende sein: Frauen sollte der Zugang zu den Instrumenten der politischen Vertretung lediglich aufgrund eines soziologischen Faktum ermöglicht werden (dass sie circa 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen, während sie gleichzeitig auf politischen Posten deutlich unterrepräsentiert sind) und nicht aufgrund einer vermeintlichen essentiellen weiblichen Qualität– ihre angebliche Fähigkeit, von Politikern verursachte Missstände kurieren zu können. Frauen sind nicht etwa bürgernäher, sondern leider weiter von der Politik entfernt. Die Politik der „affirmative action“ wird über bloße demografische Statistiken gerechtfertigt, nicht über eine vermeintliche Qualität, die allen Politikerinnen jenseits ihrer persönlichen Eigenschaften zukommen würde. Die Differenz macht Sinn, um Zugänge zu gewährleisten, nicht um politische Handlungsorientierungen zu bestimmen. Die Gleichstellung der Geschlechter hätte ihr Ziel erreicht, wenn die politische Aktivität von Frauen aufhören würde, etwas Gruppenspezifisches und Besonderes zu sein. Wenn Frauen Frauenpolitik machen, indem sie spezifische weibliche Qualitäten formulieren (Nähe, Humanität, Alltagsverstand, Fürsorglichkeit, Sensibilität für das Besondere…), dann schreiben sie Frauen erneut genau jene Eigenschaften zu, wegen derer ihr Platz in der Privatsphäre verortet wurde und schließen sie aufs Neue aus der öffentlichen Sphäre aus. Die Erneuerung der Politik wird nicht davon abhängen, ob Frauen eine „weibliche“ Politik machen, sondern davon, ob eine effektive Gleichberechtigung erreicht wird. Die Gleichstellung (Parität) ist wichtig, um die Beteiligung von Frauen in der Politik zu erleichtern, aber nicht, damit die Frauen als Frauen eine andere Politik machen, welche notwendigerweise humaner und bürgernäher sein müsste.

Worin besteht also die wahrhaftige Macht der Frauen? Selbstverständlich nicht darin, die Macht der Männer zu kompensieren oder zu korrigieren, sondern darin, sie ersetzen zu können. Die männliche Herrschaft ist sogar in der Lage, getrost Frauenförderung zu betreiben, ohne damit die geschlechtliche Arbeitsteilung in Frage zu stellen, auf der ihre Hegemonie gründet. Was wir Männer am meisten fürchten, ist nicht etwa eine Frau, weniger noch, wenn sie eine weibliche Frau ist. Was uns am meisten in Unruhe versetzt, ist ein Individuum.

Globernance

El Instituto de Gobernanza Democrática, Globernance, es un centro de reflexión, investigación y difusión del conocimiento. Su objetivo es investigar y formar en materia de gobernanza democrática para renovar el pensamiento político de nuestro tiempo.

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